Montag, 14. September 2009

Neues aus Berlusconistan

Der für morgen geplante Polit-Talk "Ballarò" im dritten RAI-Programm wird verschoben, weil im 1. Programm die Übergabe der ersten Wohnungen für die Erdbebenopfer in L'Aquila gezeigt werden soll. Erdbeben und Wiederaufbau war ursprünglich auch das Thema für "Ballarò", eine der wenigen gut gemachten Politiksendungen im staatlichen Fernsehen. Nur hätte "Ballarò" keinen Propagandaspot daraus gemacht. Den zeigt jetzt der in dieser Hinsicht verlässliche 1. RAI-Kanal. Mit Berlusconi in der Hauptrolle als Schlüsseldaddy.
Sein Minister (für den Staatsdienst) Renato Brunetta hat die Streichung öffentlicher Mittel für die Filmförderung verlangt. Mit der Begründung: "Kino fällt nicht unter Kultur, sondern unter Spektakel. Der Staat subventioniert aber auch keine Pianobars oder Diskotheken." Brunetta bezeichnete die italienischen Fimschaffenden als "Schmarotzer, die vielleicht noch nie gearbeitet haben." Der Schauspieler und Regisseur Michele Placido kündigte eine Verleumdungsklage gegen den Minister an. Placido wies darauf hin, dass seine Filme nicht vom Staat gefördert seien, sondern "von dem Privatunternehmen Medusa." Das ist die größte Filmfirma im Land. Sie gehört...genau: Berlusconi.
Der Schriftsteller Sandro Veronesi ("Stilles Chaos") schrieb in einem Kommentar: "Berlusconis Feldmarescialli werfen ihre Masken ab - und dahinter sieht man die Fratze des Faschismus." Der knapp 1,60 Meter große Brunetta sei aber nur "eine Fleisch fressende Pflanze" auf Berlusconis Fensterbank.

3 Kommentare:

Martin Sommerfeld hat gesagt…

Der Zustand des italienischen Films / TV wird sehr passend von Perry Anderson zum Ende des folgenden Absatzes aus diesem hervorragenden Artikel zusammengefasst:

[...] The case of the cinema, where Italy had above all excelled after the war, can be taken as emblematic. There was no relay of the generation of great directors – Rossellini, Visconti, Antonioni – who had made their debut in the 1940s or early 1950s, and whose last important works cluster in the early 1960s. Missing thereafter was any combustible crossing of avant-garde with popular forms to compare with Godard in France or Fassbinder in Germany; later on, only the weak brew of Nanni Moretti. The result was a gap so large between educated and popular sensibilities that the country was left more or less defenceless against the cultural counter-revolution of Berlusconi’s television empire, saturating the popular imaginary with a tidal wave of the crassest idiocies and fantasies – schlock so wretched the very term would be too kind for them. [...]

Man darf Zweifel haben, dass das Ende der Filmförderung die Antwort auf die Probleme ist. Bzw. dass ausgerechnet Berlusconi ein Interesse hätte sie zu beseitigen.

birgit schönau hat gesagt…

Dass Berlusconi selbst die Filmförderung abschaffen würde, glaube ich auch nicht. Er profitiert schließlich davon. Die von ihm bestallten Wadenbeißer sind nicht selten päpstlicher als der Papst. Allerdings ist es Besorgnis erregend genug, dass Berlusconis Monopol auch in der Kinoindustrie allerhöchstens von Kalibern wie Aurelio De Laurentiis (SSC Neapel) eingeschränkt wird. Überspitzt gesagt wird auch das Anti-Berlusconi-Kino von Berlusconi produziert, ergo bezahlt. Ebenso wie die Anti-Berlusconi-Satire in Berlusconis Verlagen erscheint oder auf Berlusconis Sendern läuft.

francesca hat gesagt…

Brunetta ist höchstens ein Pflänzchen.

Wahrscheinlich ist das Ende der FIlmförderung keine Antwort auf die Probleme, aber es wäre schon ein guter Anfang (es gäbe gute Filme, aber sie finden kaum einen Weg zum Markt und sie bleiben im Kino höchstens einige Tage. Ich denke z.B. an Bellocchio, Campiotti, Mazzacurati, Piccioni, Crialese und Sorrentino - natürlich sind sie unvergleichbar mit Rossellini und den anderen der Vergangenheit, klar, aber trotzdem, es wäre schon ein guter Anfang, denke ich).

Im London Review of Books kann man auch das finden:
http://www.lrb.co.uk/v31/n14/zize01_.html