Mittwoch, 14. Oktober 2009

Fast-Blamage

"Italien blamiert sich fast", schreibt sueddeutsche.de, "Gilardino rettet Italien vor der Blamage", barmt die Agentur. Manchmal habe ich das Gefühl, diese Einschätzung ist typisch deutsch. Kein Spanier, kein Engländer, kein Franzose, kein Russe käme auf die Idee, diese Fast-Blamage-Nummer wieder und wieder zu bringen, diesmal sogar bei einem 3:2-Sieg. Jawohl, SIEG! Zypern war mit 2:0 in Führung. Blamage! Superpeinlich! Weltmeisterunwürdig! Dann kamen drei Tore von Gilardino und für die Deutschen war die Fast-Blamage perfekt. Fast-Blamage ist aber wie quasi-gol, Fast-Tor. Oder muss man sich peinlich berührt fühlen, wenn man den Gegner aus der Amateurliga nicht so großzügig und außerordentlich fair mit 13 Toren abschlachtet wie die deutsche Elf vor ein paar Jahren den Fußballzwerg San Marino? Mein Verdacht ist: In manchen Redaktionen liegen neben "Italien" und "Weltmeister" einfach noch ein paar Begriffe in der Schublade, die die dort versammelten Sprachkünstler beliebig herausgreifen und kombinieren können. Kleine Auswahl: "Weltmeister am Abgrund", "Weltmeister in der Krise", "Blamage für den Weltmeister", "Weltmeister im Chaos", "Italien deklassiert." Passt irgendwie immer oder?
Ich meine, es gibt genug Dinge, die Italiener im Moment ein bisschen peinlich finden. Die Fußball-Nationelf gehört aber nicht unbedingt dazu. Wieso auch? Und dass sich die Deutschen dauernd für italienische Fast-Blamagen fremdschämen, das geht wirklich ein bisschen zu weit.

P.S. Ich sehe gerade, dass Spiegel.de auch das deutsche 1:1 gegen Finnland "peinlich" findet. Dio mio, wie kriegt man diesen verkrampften Wichtigtuer-Ton aus dem deutschen Sportjournalismus heraus? Von Leuten, die dafür bezahlt werden, ins Stadion zu gehen und Fußball zu gucken! Löw ist qualifiziert, qualifiziert, qualifiziert. Schon klar, für euch, werte Kollegen, war es wieder einmal harte Arbeit. Aber für die Spieler war es ein Freizeitkick, Leute. Wir können uns aber von hier aus gern auch mal für euch fremdfreuen.

2 Kommentare:

Martin Sommerfeld hat gesagt…

Naja, Lippis Kommentar zu den italienischen Zuschauern die -wie die deutschen- ob der sich abzeichnenden BLAMAGE gepfiffen haben (in etwa: "sollen gefälligst arbeiten gehen", schön wenn man sowas bei 80 Euro Eintrittsgeld gesagt bekommt) lässt allerdings auf eine gewisse Verkrampfung auch im sonnigen Land der Selbstkritik (attenzione, ironia!) schliessen.

Aber wird sicher wie üblich eine Verschwörung gegen Italien dahinter stecken.

birgit schönau hat gesagt…

Aber ich bin doch nicht Opa Lippis offizielle Sprecherin...